Erläuterungen

Was wird Visualisiert?

Wozu die Visualisierung?

Was wird visualisiert?

Die Orte gemäss helvetischem Lexikon

Als Quelle für die Darstellung der Zentralitäten im Amt Liestal wurde das «Allgemeinen helvetischen, eydgenössischen, oder schweitzerischen Lexicon» von Hans Jakob Leu verwendet. Dieses wurde von Leu und seinen Helfern in 20 Bänden zwischen 1747 bis 1765 gedruckt und durch sechs Supplement-Bände in den Jahren 1786 bis 1795 ergänzt.[1]

Das Lexikon besitzt einen hohen Quellenwert für historisch-geographische Untersuchungen, da darin erstmals in der Geschichte fast alle eidgenössischen Orte erfasst und die Bezüge und Abhängigkeiten der Orte untereinander systematisch beschrieben wurden.

Diese systematischen Ortsbeschreibungen ermöglichen einen Blick durch die Brille des Zürcher Staatsmannes Leu auf die Eigenschaften und Zusammenhänge der eidgenössischen Orte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die leu’sche Darstellung des eidgenössischen Siedlungsnetzes wird hier am Beispiel des Amtes Liestal wiedergegeben.

Zentralität

Unter Zentralität verstehen wir die Bedeutung, die ein Ort für die Orte seiner Umgebung besitzt. Diese Bedeutung kommt durch funktionelle Zusammenhänge zwischen den Orten zustande. Auf dieser Webseite finden Sie die funktionalräumlichen Zusammenhänge visualisiert, welche durch das Amt, das Gericht und die Pfarreien konstituiert wurden.

Amt

Das Amt war eine Institution der lokalen Herrschaftsausübung und übernahm politisch-administrative Aufgaben. Als Amtshauptort innerhalb des Herrschaftsgebietes Basels kam Liestal diese Funktion zu. Hier befand sich das Rathaus, in dem sich der Rat traf. Der Rat von Liestal umfasste neben «zweyen Schultheissen […] auch acht sogenannte Beysitzer, welche die Obsicht über das Stadtwesen zu Liestal und die andere erforderliche Beamtete unter sich [hatten]»[2]. Das Amt Umfasste «die Dörfer Lausen, Gibenach, Selbensperg, Fülisdorf, auch Munzach, Rösern, Alt Schauenburg, Nieder Schönthal, Oris und Furlen»[3].

Gericht

Gerichte sind streitscheidende und sanktionierende Institutionen der Justiz. Im Falle Liestals machten die acht Beysitzer (ohne die Schultheissen) «das Verhör und das Gericht aus, welches in Schuldsachen bis auf 10 Pfund [sprach]. Unter den Gerichtsstab [gehörten] auch die Dörfer Lausen, und Selbensperg, Furlen, Oris, Röseren und Altschauenperg.»[4] Der Höchststafe von 10 Pfund ist zu entnehmen, dass das Niedergericht in den Händen der Liestaler lag, dass aber für schwere Delikte wie Gewaltkriminalität und Eigentumsdelikte wie etwa Mord, Raub oder schwere Körperverletzung das Hochgericht von Basel zuständig war.

Pfarrei

In der Pfarrei trafen Stadt, Kirche und Kirchenvolk unmittelbar aufeinander.[5] Zentrales Ereignis war der sonntägliche Gottesdienst, den der Pfarrer in der Kirche veranstaltete und der von den Bewohnern innerhalb des Pfarrsprengels besucht wurde.[6] Im Amt Liestal verteilte sich die Einwohnerschaft auf folgende vier Pfarreien: Munzach, Liestal, Lausen und das ausserhalb des Amtsgebietes gelegene Arisdorf.

Zentralfunktionsträger

Institutionen, Personen und Bauwerke

Das Beispiel des Gottesdienstes eignet sich besonders gut zur Veranschaulichgung eines etwas abstrakten Sachverhaltes: Die funktionalräumlichen Zusammenhänge werden in besonderem Masse durch Institutionen, Personen und Bauwerke konstituiert. Der Gottesdienst fand statt einem Bauwerk, nämlich einer Kirche und wurde von einer Person, dem Pfarrer, abgehalten. Die räumliche Gliederung ging wiederum von der als institutionellen Einrichtung zu bezeichnenden Pfarrei aus.

Die Erkenntnis, dass Institutionen, Personen und Bauwerke die Träger des im helvetische Lexikon dokumentierten funktionalräumlichen Gefüge sind, hat uns dazu bewogen, diese unter dem Schlagwort der «Zentralfunktionstäger» in der Legende aufzuführen. Dabei werden alle im Lexikon genannten Zentralfunktionstäger abgebildet, um so einen Eindruck von Zentralität auch jenseits von Amt, Pfarrei und Gericht zu ermöglichen.

Wozu die Visualisierung?

Zweck der Visualisierung

Im folgenden wird anhand einiger Beispiele aufgezeigt, wie die Visualisierung interpretiert werden kann. Ziel der Visualisierung ist es, historisch-geographische Bebachtungen, Fragen und Vermutungen anzuregen, die einerseits das Interesse an der Thematik wecken, andererseits als Grundlage für wissenschaftliche Forschung dienen können.

Interpretationsbeispiele

Vergleich von Amt und Gericht

In Bezug auf die Verwaltung hatte Liestal die höchste Zentralität im Amtsgebiet. Dies wird sichtbar anahnd der Grösse des Kreises und der Anzahl verbundener Orte, wenn die Funktion «Amt» angezeigt wird. In Bezug auf die Gerichtsbarkeit war Liestals Zentralität jedoch geringer: Munzach, Frenckendorf, Nieder-Schöntahl und Fülistorf waren zwar Teil des Amtes, standen aber nicht unter Liestaler Gerichtsbarkeit. Wer übernahm in jenen Dörfern diese Funktion?

Wie der Kartenlegende zu entnehmen ist, waren Munzach, Frenckendorf und Fülistorf eigene «Herrschaften». Hatten diese drei Orte eigene Gerichte zur Wahrung des Landfriedens und zogen sie auch das in ihrer Mitte gelegene Nieder-Schönthal in die Gerichtsbarkeit mit ein?

Solche Fragen und Vermutungen sollen durch die Visualisierung angeregt werden, das Interesse an der Geschichte wecken und können Grundlage für weitere Forschung darstellen.

Zentralitäten der Pfarreien

Im Vergleich zur Bedeutung Liestals als Amt und Gericht, war die Pfarrei Liestal ausserhalb des Städchens verhältnismässig unwichtig: Nebst den Liestalern waren lediglich die Einwohner aus Nieder-Schönthal und Seltisberg in der kleinen Stadt pfarrgenössig. Eine grössere Zentralität besass die Pfarrei Munzach, die sich über Fülisdorf, Frenkendorf, Alt Schauenburg und Röseren erstreckte.

Dass die Pfarreigebiete vor den Amtsgrenzen nicht halt machten, zeigt das Beispiel Gibenachs: Dessen Einwohner besuchten den Gottesdienst in Arisdorf, das nicht zum amt Liestal gehörte. Wieso gehörte Gibenach nicht zu einer Pfarrei innerhalb des Amtes?
Eine Erklärung wird besonders naheliegend, wenn man in der Visualisierung die Pfarreien anzeigt und das Relief als Hintergrund wählt.[7]



Einzelnachweise


[1] Zur Biographie Leus siehe: Zelger-Vogt, Marianne: Johann Jacob Leu, 1689-1768. Ein Zürcherischer Magistrat Und Polyhistor, Zürich 1976 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich).

[2] Leu, Hans Jacob: Helvetisches Lexikon. Theil Le-Me, Bd. 12 / 20, S. 135.

[3] Leu, Hans Jacob: Helvetisches Lexikon. Theil Le-Me, Bd. 1220, Zürich 1757, S. 135.
Frenkendorf fehlt in dieser Aufzählung. Der Fehler wurde im Supplementband durch Leu korrigiert.

[4] Leu, Hans Jacob: Helvetisches Lexikon. Supplement H-M, S. 551.

[5] Isenmann, Eberhard: Die Deutsche Stadt Im Mittelalter 1150-1550 Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Köln 2012.

[6] Predigt, in: Enzyklopädie der Neuzeit.

[7] Gibenach liegt im Tal von Arisdorf und ist von den anderen Pfarreien durch einen Pass getrennt, was die Zughörigkeit zur Pfarrei Arisdorf erklären könnte.